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Quarantäne nach Urlaub in einem Risikogebiet – Muss ein Arbeitnehmer dafür tatsächlich keinen Urlaub nehmen oder nicht auf Gehalt verzichten? (Mit Update v. 28.8.20)

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Nach bislang herrschender Meinung haben Arbeitnehmer nach einer Reise in ein Risikogebiet keinen Anspruch auf eine Entschädigung für den Verdienstausfall während einer Quarantäne nach § 56 Abs. 1 IfSG. Das legt schon der Gesetzeswortlaut nahe, denn gem. § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG hat keinen Anspruch, wer öffentlichen Empfehlungen, deren Befolgung eine Quarantäne hätte verhindern können, zuwiderhandelt. Da das Auswärtige Amt vor Reisen in Risikogebiete warnt, liegt mit einer Reise eine solche Zuwiderhandlung vor, so dass ein Arbeitnehmer, der in ein Risikogebiet reist, einen Gehaltsausfall für die Dauer von 14 Tagen riskiert.

Diese herrschende Auffassung ist jüngst, am 26.08.2020, durch eine Äußerung des Pressesprechers des Bundesgesundheitsministeriums infrage gestellt worden. Dieser teilte mit, ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG bestehe auch, wenn ein Arbeitnehmer entgegen öffentlichen Warnungen in ein Risikogebiet gereist sei. Diese Ansicht ist für Arbeitgeber mit Vorsicht zu genießen. Die Frage, ob ihnen nach § 56 Abs. 1 S. 3, Abs. 5 IfSG ein Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Entschädigungszahlungen zusteht, wird von den zuständigen Landesbehörden, ggf. durch die Verwaltungsgerichte entschieden. Beide sind aber nicht an eine Auslegung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG durch das Bundesgesundheitsministerium gebunden. Empfehlenswert ist daher allenfalls eine (Vor-)Leistung der Entschädigung unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückerstattung durch die zuständige Landesbehörde.
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Update vom 28.8.2020:
Gestern hat die Bundeskanzlerin angekündigt, dass Bund und Länder kurzfristig eine Rechtsänderung anstreben. Ziel sei es, dass bundeseinheitlich eine Entschädigung für den Einkommensausfall dann nicht gewährt werde, wenn eine Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet erforderlich werde. Das Ergebnis der Telefonschaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten finden Sie hier.
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Weitere Ansprüche des Arbeitnehmers, insbesondere ein Anspruch nach § 616 BGB, bestehen nicht. § 616 BGB gilt nur bei individuellen Hindernissen. Weltweite Pandemiegeschehen sind daher von vornherein ausgenommen. Das Entgeltfortzahlungsrisiko in einer Pandemie den Arbeitgebern aufzubürden, würde bei zahlreichen Arbeitsausfällen zu einer finanziellen Überforderung des Arbeitgebers führen. Darüber hinaus greift § 616 BGB nach einer Reise schon wegen Verschuldens des Arbeitnehmers nicht. Für Reisen in Risikogebiete ist das offensichtlich, aber auch Reisen in Nichtrisikogebiete bieten aufgrund der rasant wechselnden Gefahrenlagen in der Corona-Krise keine Sicherheit. Der Arbeitnehmer nimmt dieses Risiko also bewusst in Kauf.

Es erscheint sinnvoll, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten über diese Risiken aufklären. Das soll zunächst verhindern, dass es für sie am Ende böse Überraschungen gibt. Darüber hinaus sieht vielleicht auch der ein oder andere Arbeitnehmer angesichts des Entgeltausfallrisikos von einer nicht notwendigen Reise in ein Risikogebiet ab. Auch die Bundeskanzlerin rät dazu.

Für weitere Fragen rund um das Problem der Urlaubsrückkehrer verweise ich auf meinen Blogbeitrag vom 30.6.2020.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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